Flanschdichtungen richtig berechnen
VDI 2290: Richtig berechnen, richtig montieren.
Die Technische Anleitung zur Rein-haltung der Luft (TA Luft), die Mess- und Berechnungsverfahren sowie Emissions- und Immissionswerte für industrielle und gewerbliche Anlagen zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen vorgibt, wurde 2002 novelliert. Technisch begleitende Regelwerke wurden an die neuen Rahmenbedingungen angepasst, so zum Beispiel die VDI-Richtlinie 2290 „Emissions-minderung – Kennwerte für dichte Flanschverbindungen“. Die Folge: Höhere Anforderungen und verschärfte Prüfungen von Flanschdichtungen führen auch zu starker Verunsicherung im Markt.
Die VDI-Richtlinie 2290 „Emissions-minderung – Kennwerte für dichte Flanschverbindungen“ ist eine Richt-linie des Vereins Deutscher Ingenieure e.V. (VDI), verfasst von der VDI-Kommission „Reinhaltung der Luft“. Sie knüpft an die rechtlich binden-de Verordnung TA Luft an und wird nach ihrer Verabschiedung als Stand der Technik gelten. Sie ist weder Zulassung noch Zertifikat. Die Gültigkeit ist auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt, fachlich eingegrenzt auf Rohrleitungen mit einem bestimmten Typ von Flansch-verbindungen und rechtlich explizit auf Anlagen beschränkt, die der TA Luft unterliegen. Konkret: Die VDI 2290 regelt die Beurteilung der technischen Dichtheit von Flanschverbindungen, allerdings nur für diejenigen flüssigen und gasförmigen Medien, für die emissionsbegrenzende An-forderungen nach der TA Luft fest-gelegt sind. Sie gilt nur für Metall-flansche und Flanschverbindungen n Rohrleitungen, an Apparaten und Armaturen aller Industriezweige, insbesondere der chemischen und petrochemischen Industrie, bis zu einer maximalen Betriebstemperatur von +400 °C. Sie ist nicht anwendbar für Rohr- oder Flanschverbindungen, die ohne Schrauben ausgeführt werden, oder für so genannte Kompaktflansch-Verbindungen ohne Dichtung oder mit Flüssigkeitsdichtung. Die VDI 2290 erläutert, wie und mit welchen Regelwerken eine Dichtverbindung nachzuweisen ist. Sie setzt Dichtheitsklassen fest und liefert die notwendigen Rahmenbedingungen für eine Flanschberechnung, wobei mindestens eine Dichtheitsklasse L0,01 gilt (= eine spezifische Leckagerate von 10–2 mg · s–1 · m–1). Bei einer Dichtung von 1 Meter Durchmesser darf also pro Sekunde maximal 0,01 Milligramm Medium austreten.
Die TA Luft selbst verweist bei der Kennwertdiskussion im Zusammen-hang mit den Prüfbedingungen für Dichtungen auf verschiedene ältere VDI-Richtlinien, insbesondere auf die VDI 2200 und die VDI 2240. Die VDI 2200 formuliert nur allgemeine Dichtungsregeln. Eine Festlegung der Dichtheitsklassen erfolgte nicht. Es existieren bis dato nur Be-rechnungen der Flansche nach DIN EN 1591-1. Die Dichtheitsanforderungen sind darin vergleichs-weise schwammig formuliert. Als “ Eintrittskarte in den Markt der TA Luft- konformen Dichtungen“ wurde im Grunde nur die Bauteilprüfung beschrieben. Eine zentrale Forderung der TA Luft ist über das Produkt hinaus die Auslegung der Dichtverbindung und ihre Prüfung. Nach „Beschwerdebriefen interessierter Kreise“ an das Umweltbundesamt kamen Dichtheitsanforderungen ins Spiel, die sich nicht wie zuvor im Bereich 10–1 mg · s–1 · m–1 bewegten, sondern bis zu 10–7 mg · s–1 · m–1.Das ist absolut praxisfern! um die Frage zu beantworten „Was ist eigentlich im technischen Sinne dicht?“, legte der maßgebliche Ausschuss VDI 2290 neue Leckage klassenfest, zuletzt mit einer Mindestdichtheitsklasse 10–3 mg · s–1 · m–1.Dieser Wert ist zwar leckage-optimiert, aber immer noch nicht praxistauglich und wäre unter den gegebenen Bedingungen selbst mit den besten Dichtungs-platten der Premium-Hersteller nicht zu realisieren gewesen. Am Ende wurde die Anforderung auf eine praxisrelevante Klasse von 10–2 mg · s–1 · m–1 gesenkt.
Das ist eine Herausforderung, die mit herkömmlichen 5.6er-Flanschschrauben häufig nicht zu realisieren ist. um die benötigte Flächenpressungskraft auf die Dichtung zu bringen, müssen entweder die bestehenden Flansche gegen stärkere Flansche ausgetauscht oder höherwertige Schrauben wie z. B. 25CrMo-5- Schrauben benutzt werden. Zu den unbestrittenen Vorteilen der neuen Richtlinie gehört es, dass der Fokus nicht nur auf der jeweiligen Dichtung liegt, sondern ebenso auf der Montagequalität. So ist die Mon-tage nach der neuen Regelung ebenfalls Teil des Qualitätssicherungssystems. Denn je höher die Leistung der Dichtung ist, desto anspruchsvoller wird auch die Montage. Wie notwendig eine solche Regelung ist, zeigt z. B. die Auswertung an einem großen deutschen Chemiestandort, bei dem nach Auslösung eines Umweltalarms 474 Armaturen geprüft wurden. Es stellte sich heraus, dass 80 % der gefundenen Leckage fälle aus falsch montierten Dichtungen resultierten. Deshalb läuft alles auf die Forderung hinaus, dass in Anlehnung an die Ausbildung zum qualifizierten Rohrleitungsschweißer auch eine Ausbildung zum qualifizierten Dichtungsmonteur zur Ausführung der Montage von Flanschdichtungen nach TA Luft vorausgesetzt wird.
Wenn es nun um die Praxis geht, also den Bau einer neuen Anlage mit TA Luft-konformen Dichtungen oder den Austausch alter Dichtungen im Revisionsfall, sind viele beteiligt, aber nur einer zuständig und verantwortlich für die Umsetzung der VDI 2290, nämlich der Anlagenbetreiber. Die ersten Fragen müssen daher immer lauten: Trifft die VDI 2290 auf die Anwendung überhaupt zu? Gelten hier die Forderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes? Wenn ja, ist es zunächst einmal die Aufgabe des Anlagenbetreibers, die Auslegung gemäß VDI 2290 vorzunehmen und die Dichtheit und Standfestigkeit nachzuweisen.
Aufgabe der Dichtungshersteller ist es, dafür alle notwendigen Be-rechnungskennwerte zur Verfügung zu stellen. Premium-Hersteller, die sich durch qualifizierte Beratung auszeichnen, wie zum Beispiel die Hersteller Frenzelit und KLINGER, stellen den Betreibern der Anlagen selbst alle notwendigen Berechnungskennwerte zur Verfügung, die erforderlich sind, um die Auslegung zu berechnen. Als Konfektionäre sind z. B. Technischer Händler selbst Hersteller und damit zuständig für die Dokumentation der Kennwerte. Daneben können Anlagenbetreiber auch auf die Datenbank der Fachhochschule Münster, Fachbereich Physikalische Technik, Forschungsbereich Dichtungstechnik zugreifen. Auf Basis dieser Daten ist die Dichtung auszulegen – inklusive z. B. der empfohlenen Drehmomente für die Flansch-verschraubung. und damit gehören auch die Monteure der Flanschdichtungen zu den Beteiligten, die für die Funktionalität der Dichtung entscheidend Verantwortung tragen. Herausgeber ist die Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN.
Auslegung / Qualifizierung
Als Weichstoffauflage findet vor allem Graphit (bis ca. +450 °C) Anwendung. Im Weiteren wird neben PTFE (hohe chemische Beständigkeit, bis ca. +260 °C) und Silber (bis ca. +750 °C und hoher chemischer Beständigkeit, jedoch nicht in Spiraldichtungen) auch Glimmer (bis ca. +1000 °C bei erhöhter Leckage) eingesetzt. Der Druckanwendungsbereich der genannten Dichtungen bewegt sich im Nieder- und Hochdruckbereich.